Es war heute, Sonntag, der 16.03.2025. Kein gewöhnlicher. Ich saß in einer Kirche – dem Gospelhaus in Baden-Baden – begleitet von meiner Geschäftspartnerin und ihrer Tochter. Die Musik vibrierte durch die Reihen, Menschen klatschten, sangen, fühlten. Ich saß da, mittendrin – körperlich anwesend, seelisch irgendwo zwischen „Was mache ich hier eigentlich?“ und „Okay, das ist interessant, vielleicht passiert ja was“.
Die Musik war… okay. Laut, lebendig, ein bisschen wie ein Konzert mit frommem Inhalt. Aber dann kam die Predigt. Und dann das Interview. Und dann der Moment, an dem ich am liebsten laut geschrien hätte – nicht aus Ablehnung, sondern weil meine Introvertiertheit sich schützend vor meine Seele warf und rief: „Zu viel! Zu laut! Zu nah!“
Ich blieb. Weil ich höflich bin. Weil ich niemanden vor den Kopf stoßen wollte. Weil ich gelernt habe, auszuhalten (dabei habe ich mich ins Internet auf meinem Handy zurückgezogen). Aber innerlich wusste ich: Das ist nicht mein Ort.
Und auf der Rückfahrt kam sie – die Frage, die mich so oft begleitet: „Woran glaubst du eigentlich?“

Mein Glaube passt in keine Schublade. Und das ist auch gut so.
Ich glaube an Gott. Punkt. Nicht an Religionen, nicht an Bücher, nicht an Rituale. Ich glaube an eine höhere Kraft, die diese Welt, dieses Leben erschaffen hat – aber ich glaube nicht daran, dass irgendjemand das Recht hat, mir vorzuschreiben, wie ich diesen Glauben leben soll.
Das ist der Moment, in dem Menschen meist nicken, mich aber trotzdem schief anschauen. Und dann kommt der Satz:
„Ach so, du bist Agnostikerin.“
Nein. Bin ich nicht.
Ich bin Deistin.
Deismus – was ist das eigentlich?
Wenn ich das sage, kommt meist Stille. Danach Fragen. Und das liebe ich. Denn ich glaube, viele fühlen ähnlich, wissen nur nicht, dass es einen Namen dafür gibt.
Deismus bedeutet, an Gott zu glauben – aber ohne Religion.
Kein heiliges Buch. Keine Kirche. Keine Taufe. Kein Muss. Nur der Glaube an eine höhere Macht, die diese Welt erschaffen hat – und dann sagte diese Macht: „Ich habe euch Verstand gegeben, nutzt ihn.“
Es geht nicht darum, wie oft du betest oder in welchem Gotteshaus du sitzt. Es geht darum, das Leben zu sehen – die Schönheit, die Komplexität, das Wunder – und darin Gott zu finden.
Ich meine, schau dir die Welt an. Wie perfekt alles ineinandergreift. Die Natur, der Mensch, das Leben.
Das soll Zufall sein? Ein kosmisches Würfelspiel? Nein. Für mich nicht.
Aber was passiert dann nach dem Tod?
Tja. Gute Frage. Ich weiß es nicht. Und ich behaupte auch nicht, es zu wissen. Aber ich glaube, dass der Tod nicht das Ende ist. Dass wir Teil von etwas Größerem sind, das wir einfach nicht begreifen können. Und das müssen wir auch nicht.
Für mich bedeutet Deismus auch, Frieden zu finden in dem Nichtwissen. Vertrauen zu haben, ohne Beweise. Und das reicht mir.
Meine Kindheit mit Kirche – ein kurzer Rückblick mit leichtem Schmunzeln
Ich wurde nach meiner Geburt getauft – das war so üblich. Mit 9 Jahren ging’s zur Kommunion – ich erinnere mich an das weiße Kleid, die feierliche Stimmung… und daran, dass ich nicht wirklich wusste, warum ich das alles tat.
Mit 14 dann die Einladung zur Firmung. Zwei Bibelstunden später sagte ich: „Danke, nein.“ Ich konnte mich nicht damit verbinden. Es fühlte sich nicht richtig an – nicht für mich.
Mit 18 trat ich aus der Kirche aus. Ich wollte frei sein. Glauben, ohne Anleitung. Lieben, ohne Vorschrift.
Und heute? Heute bin ich einfach ich. Deistin. Und das fühlt sich richtig an.
Ich finde Ruhe nicht in Kirchen, nicht im Lärm von Predigten, nicht im Klatschen und Singen. Ich finde Ruhe in der Natur. In stillen Momenten mit meinen Kindern. In Musik, die mein Herz berührt – und nicht mein Trommelfell.
Das Einzige Gotteshaus, in dem ich je Ruhe gefunden habe, war eine Moschee. Meine älteste Tochter ist Muslima, und als ich sie begleitete, war da… Stille. Frieden. Diese Klänge, die mich getragen haben. Kein Druck, kein Zwang. Einfach Sein. Das hat mich berührt. Aber für mich ist das einfach menschengemacht.
Und nein – wir Deisten werden nicht getauft. Es gibt kein Buch. Kein Ritual. Kein „Du musst“.
Als meine Geschäftspartnerin mich fragte, ob man da auch getauft wird, musste ich lächeln. Genau darum geht es ja. Du musst gar nichts. Es gibt keine Vorgaben. Keine Regeln. Kein Eintritts-Ritual. Du darfst glauben. Frei. Ohne Dogma. Ohne Etikett. Gott gab uns Verstand. Verstand bedeutet, selbst verstehen zu können, was gut und was schlecht ist und das eben zu tun.
Gott ja. Religion nein.
Ich habe Respekt vor Religionen. Ich denke, dass Jesus, Mohammed, Moses – wer auch immer – gelebt haben. Vielleicht waren sie inspirierend. Vielleicht auch fehlgeleitet. Aber für mich sind sie keine Propheten. Sie sind Teil der Geschichte, Teil von Kulturen, Teil von dem, was Menschen Halt gegeben hat. Und das ist in Ordnung.
Ich brauche keine Religion, um Gott zu finden.
Wenn es mir schlecht geht? Wo finde ich dann Halt?
In mir. In meinem Glauben. In dem Wissen, dass ich nicht allein bin, auch wenn ich niemanden sehe.
Dass es da etwas gibt – ein Licht, eine Kraft – die über allem steht und mich durch all das trägt, was ich nicht verstehe.
Ich brauche keine Regeln, keine Gebote, keine Strafen im Jenseits oder jemand, der mich mit seinem Leid davor gerettet hat, um gut zu sein. Ich will gut sein, weil ich es will. Nicht weil ich muss.
Gleichzeitig finde ich Halt in der Natur – beim Wandern, bei der intensiven Selbstfürsorge, in der Ruhe, in Musik, in dem, was mir Spaß und Freude bereitet.
Mein Glaube ist leise. Und doch stark.
Ich glaube an Gott. Nicht an Religion. Ich glaube an das Leben, an die Liebe, an die Kraft, die uns umgibt – wenn wir still genug werden, sie zu spüren.
Und manchmal, da wünschte ich, ich könnte laut schreien, wenn ich in Kirchen sitze und alles in mir nach Ruhe ruft. Aber ich weiß: ich muss das nicht. Ich darf meinen Glauben leben, wie er sich für mich richtig anfühlt.
Und vielleicht geht es dir ähnlich. Vielleicht suchst du auch noch, wo du hingehörst. Vielleicht bist du auch Deist. Vielleicht nicht. Aber das Schöne ist: du darfst glauben, fühlen, finden – auf deine Weise.
Deismus. Ein stiller Glaube. Ein freier Glaube. Ein tiefer Glaube.
Und wenn du das Gefühl hast, dass du dich in keiner Religion findest – dann ist das okay. Du darfst Gott auch ohne Kirche finden. Ohne Taufe. Ohne Buch. Nur du. Und das Leben.
Du darfst auch nicht an Gott glauben.
Deismus vs. Agnostizismus – Zwei Wege, dieselbe Frage
Deisten glauben an Gott. Aber ohne Religion.
- Deisten sind überzeugt, dass es einen Schöpfer oder eine höhere Macht gibt, der oder die das Universum erschaffen hat – aber sich danach nicht mehr aktiv in das Geschehen einmischt.
- Kein heiliges Buch, keine Rituale, keine Kirche – sondern ein freier, persönlicher Glaube, der auf Vernunft, Beobachtung und innerem Gefühl basiert.
- Die Natur, das Leben, das Universum – all das ist für Deisten der Beweis, dass es einen Schöpfer geben muss.
- Sie glauben, dass der Mensch mit Verstand und Herz ausgestattet wurde, um seinen eigenen Weg zu finden – ohne Vorschriften.
Kurz gesagt: Deisten sagen: „Es gibt Gott – ich glaube das tief in mir. Aber ich brauche keine Religion, um ihn zu finden.“
Agnostiker glauben nicht – aber sie schließen es auch nicht aus.
- Agnostiker sagen: „Ich weiß nicht, ob es Gott gibt – und ich glaube, das kann niemand wissen.“
- Für sie bleibt die Existenz Gottes unklar oder unentscheidbar. Manche lehnen Glauben nicht ab, aber sie sehen keine Beweise, die sie überzeugen würden.
- Es geht weniger um Glauben, mehr um Zweifel, Offenheit oder Zurückhaltung.
- Viele Agnostiker sagen: „Vielleicht gibt es etwas, vielleicht auch nicht – ich weiß es nicht.“
Kurz gesagt: Agnostiker sagen: „Ich glaube weder noch. Ich halte es für möglich, aber ich weiß es nicht.“
Ein Bild zum besseren Verständnis:
Stell dir vor, zwei Menschen stehen unter dem Nachthimmel.
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Der Deist schaut die Sterne an und sagt:
„Das kann kein Zufall sein. Irgendjemand hat das erschaffen.“ -
Der Agnostiker schaut ebenfalls nach oben und sagt:
„Vielleicht ist da jemand – vielleicht auch nicht. Ich kann es nicht wissen.“
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